Wie verbessern wir die Kommunikation in Unternehmen?
Wie viele E-Mails hast Du heute schon gelesen? Wie viele Dokumente warten auf Deine Aufmerksamkeit? Die Informationsflut in Unternehmen nimmt ständig zu – und doch klagen viele über mangelhafte Kommunikation. Dr. Sonja Dase, Sprachcoach und Gründerin von „Deutsch im Job“, hat überraschende Antworten auf dieses Dilemma.
Die Informationsflut bewältigen – durch Reduzierung
Der erste Schritt zur besseren Kommunikation mag überraschend klingen: Weniger schreiben. „Wir produzieren bestimmte Texte, um Vorgaben zu erfüllen, aber mit den Inhalten, die wir geschrieben haben? Die spielen fast keine Rolle mehr“, erklärt Dr. Dase.
In vielen Unternehmen werden Dokumente erstellt, die niemand liest:
- Arbeitsanweisungen, die zu lang und kompliziert sind
- Protokolle, die nur für Audits geschrieben werden
- Aushänge, die niemand beachtet
- E-Mails, die im Postfachstau untergehen
Dr. Dase vergleicht sich mit einer „Aufräumerin“: „Alles, was nicht zielführend ist, kommt weg. Details, die ablenken, müssen raus. Details, die helfen, die Kernaussage zu verstehen, müssen rein.“
Die Ursachen von Kommunikationsproblemen finden
„Da, wo ein Fehler sichtbar wird, ist er in der Regel nicht entstanden“, betont Dr. Dase. Wenn Mitarbeiter Arbeitsanweisungen nicht verstehen, liegt das Problem oft nicht allein bei deren Sprachkompetenz oder der Textqualität.
Stattdessen sollten Unternehmen fragen:
- Wann haben Mitarbeiter Zeit, Dokumente zu lesen?
- Wo sind diese Dokumente zugänglich?
- Sind die Mitarbeiter in einem lauten Umfeld, wo selbst mündliche Kommunikation schwierig ist?
- Welche Inhalte brauchen die Mitarbeiter wirklich?
Besonders für Mitarbeiter ohne Schreibtisch – etwa in der Logistik oder Pflege – ist es oft unrealistisch, lange Dokumente zu lesen. „Wo ist der Moment, in dem ich Dokumente lesen kann, wenn ich morgens um 6 Uhr anfange und dann meinen Gabelstapler starte?“, fragt Dr. Dase.
Verständliche Sprache als Schlüsselkompetenz
Trotz aller Einschränkungen: Was geschrieben wird, sollte verständlich sein.
Dr. Dase bevorzugt den Begriff „verständliche Sprache“ gegenüber „einfacher Sprache“.
Sie sagt: „Verständlich hat zwei Aspekte: Erstmal muss ich den Sachverhalt wirklich selber verstanden haben, damit ich ihn verschriftlichen kann. Und dann muss ich schauen, wie ich ihn so schreibe, dass auch mein Gegenüber das versteht.“
Das erfordert hohe Sprachkompetenz: „Kompetentes Schreiben und Sprechen bedeutet, dass ich bei meinem Gegenüber die Wirkung erziele, die ich erzielen möchte.“
Sprachcoaching: Mehr als nur Sprachtraining
Als Sprachcoach geht Dr. Dase weit über klassisches Sprachtraining hinaus. Wenn Unternehmen sie rufen, weil „Mitarbeiter nicht gut genug Deutsch können“, schaut sie auf das gesamte System:
- Wie werden Mitarbeiter eingearbeitet?
- Wie erfolgt die Kommunikation im Team?
- Welche Prozesse könnten verbessert werden?
Manchmal erhält sie „vergiftete Aufträge“: „‚Ich habe hier tolle Mitarbeiter, die werden von Kollegen gemobbt. Bitte sorgt dafür, dass die besser Deutsch lernen, damit die lernen, sich durchzusetzen.‘ Dann denke ich: Habe ich das richtig verstanden? Ihr habt Kollegen oder Führungskräfte, die sehen, dass da was schiefläuft, und nicht eingreifen? Dann ist ein Deutschkurs nicht der richtige Ansatz.“
Tipps von Dr. Dase für bessere Kommunikation im Unternehmen
- Weniger ist mehr: Überlege kritisch, was wirklich verschriftlicht werden muss. Kannst Du statt zehn E-Mails ein fünfminütiges Telefonat führen?
- Relevanz prüfen: „Welche Information braucht mein Gegenüber? Was ist für den Leser wirklich relevant?“
- Gemeinsam Texte erstellen: „In meiner idealen Welt wäre es eine Selbstverständlichkeit, dass Teams gemeinsam Texte schreiben.“
- Testleser einsetzen: „Ich empfehle immer drei Probeleser zu haben: jemand, der vom Fach ist; jemand, der Vorschriften kennt; und jemand von den Menschen, die damit arbeiten müssen.“
- Dokumente aktuell halten: „Wenn die Texte wirklich benutzt werden, fällt auch auf, wo noch eine Lücke ist, wo ich nachbessern muss.“
Ein Umdenken ist nötig
Die Kommunikation in Unternehmen zu verbessern erfordert mehr als nur bessere Texte. Es braucht ein grundlegendes Umdenken darüber, wie, wann und warum wir kommunizieren.
Dr. Dase bringt es auf den Punkt: „Wir werfen das eine weg, damit das andere besser sichtbar ist und zum Strahlen kommt.“
In einer Zeit, in der Aufmerksamkeit zur knappsten Ressource wird, könnte diese Einsicht wertvoller sein als jeder Schreib-Ratgeber: Texte vereinfachen ist gut – manche Texte ganz weglassen, manchmal noch besser.
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