Analyse: Wie verständlich informieren deutsche Versicherer?

Einfache Sprache ist der Schlüssel zu Transparenz, Barrierefreiheit und Vertrauensaufbau. Was macht die deutsche Versicherungsbranche aus diesen Chancen? Unser Bericht deckt Schwächen, Fortschritte und Potenziale auf. Wir geben sofort umsetzbare Handlungsempfehlungen und Impulse für kundenfreundliche Sprache – nicht nur in der Online-Kommunikation.  

Stand: 24.04.2023 – Gidon Wagner, WORTLIGA Tools GmbH

Nur wenige Versicherer erklären Produkte kundenfreundlich und barrierefrei

Wie verständlich erklären deutsche Versicherungen ihre Produkte für Privatkunden? Um das herauszufinden, untersuchten wir die Produkttexte auf den Webseiten großer deutscher Versicherer. Wir analysierten die Texte der fünf beliebtesten Produkte für Privatkunden. Als Maßstab verwendeten wir einen Index für die Lesbarkeit von Texten. Mehr dazu unter dem Punkt Messmethode.

Eines vorweg: Die meisten deutschen Versicherungen scheitern daran, ihre Produkte rechtssicher und dennoch einfach zu beschreiben.

Versicherer verbessern zögerlich Kommunikation – Continentale und Ergo zeigen den Weg

Die drei Versicherungen mit der kundenfreundlichsten Sprache haben in den letzten fünf Jahren stark an ihrer Ansprache gefeilt – mit drastischen Verbesserungen.

So erreichte die Gewinnerin Continentale Versicherung im Jahr 2018* im Durchschnitt nur 52 Punkte im Lesbarkeitsindex. Im Jahr 2023 informierte sie ihre Kunden mit 61 Punkten und damit rund 17 Prozent transparenter.

Noch größere Sprünge machte die Drittplatzierte: Generali verbesserte sich um knapp 20 Prozent von 45 auf 54,6 Punkte. Und die zweitplatzierte ERGO Versicherung informierte bereits 2018* verständlicher als der Durchschnitt. Die Versicherung steigerte sich nochmals um rund 10 Prozent von 55 Punkten auf einen Wert von 60,2.  

Wenig bis keine Verbesserung sehen wir bei den Rangletzten Zurich Versicherung und Gothaer. Zurich vereinfachte ihre Texte seit dem Jahr 2018* immerhin um rund 3 Prozent – von 42 Punkten auf einen Wert von 43,4. Gothaer verschlechterte sich und erklärte im Jahr 2018* verständlicher als im Jahr 2023 – ein Absinken von
48 Punkten auf 43,4 Punkte. 

Deutlich nachgelegt hat die Debeka: Sie vereinfachte ihre Produkttexte um rund 16 Prozent. Die Versicherung kommuniziert mit 44 Punkten im Lesbarkeitsindex aber noch immer deutlich kompliziert.

Untersucht haben wir pro Versicherung folgende Privatkunden-Produkte: Autoversicherung, Hausratversicherung, Haftflichtversicherung, Rechtsschutzversicherung, Unfallversicherung.

Lesen Sie unterhalb des Rankings unsere Tipps für Ihre Produkt-Kommunikation.

Große Lücken in der Kundenansprache

Bei allen untersuchten Versicherungen ist Luft nach oben bei barrierefreier Sprache und Verständlichkeit. Auffällig ist die Tendenz zu unnötig langen Sätzen. Ein paar Punkte mehr setzen – schon stünde es besser um die Verständlichkeit der ohnehin komplexen Materie. Der Aufwand für sprachliche Verbesserung wäre überschaubar, das Potenzial zu kundenfreundlicher Sprache und Barrierefreiheit groß.

Messmethode

Der Lesbarkeitsindex der WORTLIGA Textanalyse errechnet sich unter anderem aus der durchschnittlichen Satz- und Wortlänge eines Textes. Dieses Verfahren ist vergleichbar mit dem international anerkannten Flesch-Reading-Ease. Der WORTLIGA-Lesbarkeitsindex berücksichtigt zusätzlich Merkmale der Nutrzerfreundlichkeit, wie die Anzahl überdurchschnittlich langer Sätze und komplexer Begriffe.

So unterschiedlich antworten Versicherungen auf die Frage: „Wie kann ich meine Autoversicherung wechseln?“
(Zum Vergrößern klicken)

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Viele Versicherer unterscheiden sich kaum in ihren Inhalten

Ein Blick ins breite Mittelfeld unserers Rankings zeigt die Austauschbarkeit der Produkt-Kommunikation von Versicherern. Viele unterscheiden sich kaum und kommunizieren bestenfalls durchschnittlich. Nur wenige Versicherer heben sich deutlich mit ihrer Sprache ab und nähern sich damit den Kunden.

*Stand aus: Internet Archive

#Versich­erungLesbarkeit pro ProduktLesbarkeit Ø

1

Continentale Versicherung

Autoversicherung
60%
Hausratversicherung
57%
Private Haftpflichtversicherung
63%
Rechtschutzversicherung
57%
Private Unfallversicherung
68%

61,0%

2

ERGO Versicherung

Autoversicherung
64%
Hausratversicherung
62%
Private Haftpflichtversicherung
61%
Rechtschutzversicherung
57%
Private Unfallversicherung
57%

60,2%

3

Generali

Autoversicherung
56%
Hausratversicherung
59%
Private Haftpflichtversicherung
53%
Rechtschutzversicherung
57%
Private Unfallversicherung
49%

54,6%

4

LVM Versicherung

Autoversicherung
62%
Hausratversicherung
51%
Private Haftpflichtversicherung
46%
Rechtschutzversicherung
44%
Private Unfallversicherung
56%

52,0%

4

Württem­bergische Versicherung

Autoversicherung
48%
Hausratversicherung
55%
Private Haftpflichtversicherung
54%
Rechtschutzversicherung
48%
Private Unfallversicherung
55%

52,0%

5

DEVK

Autoversicherung
56%
Hausratversicherung
62%
Private Haftpflichtversicherung
45%
Rechtschutzversicherung
38%
Private Unfallversicherung
57%

51,6%

5

R+V

Autoversicherung
51%
Hausratversicherung
54%
Private Haftpflichtversicherung
53%
Rechtschutzversicherung
45%
Private Unfallversicherung
55%

51,6%

6

Nürnberger Versicherung

Autoversicherung
48%
Hausratversicherung
56%
Private Haftpflichtversicherung
49%
Rechtschutzversicherung
38%
Private Unfallversicherung
62%

50,6%

7

AXA

Autoversicherung
55%
Hausratversicherung
62%
Private Haftpflichtversicherung
43%
Rechtschutzversicherung
40%
Private Unfallversicherung
52%

50,4%

8

HUK Coburg

Autoversicherung
53%
Hausratversicherung
50%
Private Haftpflichtversicherung
43%
Rechtschutzversicherung
53%
Private Unfallversicherung
52%

50,2%

8

SV Sparkassen­Versicherung

Autoversicherung
45%
Hausratversicherung
57%
Private Haftpflichtversicherung
53%
Rechtschutzversicherung
49%
Private Unfallversicherung
47%

50,2%

9

Allianz

Autoversicherung
58%
Hausratversicherung
56%
Private Haftpflichtversicherung
48%
Rechtschutzversicherung
37%
Private Unfallversicherung
50%

49,8%

10

Versicher­ungskammer Bayern

Autoversicherung
54%
Hausratversicherung
55%
Private Haftpflichtversicherung
45%
Rechtschutzversicherung
46%
Private Unfallversicherung
48%

49,6%

11

VHV

Autoversicherung
53%
Hausratversicherung
50%
Private Haftpflichtversicherung
47%
Rechtschutzversicherung
36%
Private Unfallversicherung
61%

49,4%

12

Alte Leipziger

Autoversicherung
49%
Hausratversicherung
56%
Private Haftpflichtversicherung
42%
Rechtschutzversicherung
-
Private Unfallversicherung
50%

49,2%

13

HDI

Autoversicherung
50%
Hausratversicherung
51%
Private Haftpflichtversicherung
49%
Rechtschutzversicherung
49%
Private Unfallversicherung
44%

48,6%

14

Signal Iduna Gruppe

Autoversicherung
53%
Hausratversicherung
52%
Private Haftpflichtversicherung
51%
Rechtschutzversicherung
31%
Private Unfallversicherung
51%

47,6%

15

Debeka

Autoversicherung
59%
Hausratversicherung
33%
Private Haftpflichtversicherung
49%
Rechtschutzversicherung
36%
Private Unfallversicherung
43%

44,0%

16

Gothaer

Autoversicherung
45%
Hausratversicherung
46%
Private Haftpflichtversicherung
45%
Rechtschutzversicherung
41%
Private Unfallversicherung
40%

43,4%

16

Zurich Gruppe Deutschland

Autoversicherung
47%
Hausratversicherung
43%
Private Haftpflichtversicherung
47%
Rechtschutzversicherung
36%
Private Unfallversicherung
44%

43,4%

AutoversicherungAutoversicherung
HausratversicherungHausratversicherung
Private HaftpflichtversicherungPrivate Haftpflichtversicherung
RechtschutzversicherungRechtschutzversicherung
Private UnfallversicherungPrivate Unfallversicherung
Ihre Versicherung ist nicht im Ranking vertreten? Sprechen Sie uns an – wir analysieren Ihre Produkttexte kostenfrei und veröffentlichen die Ergebnisse auf dieser Seite. 

Beispiele für Lesbarkeitswerte

Sehr leicht bis leicht

  • Geschichte für Kinder “Der Frühlingsschatz“: 90
  • Leichte Sprache (Bundesregierung.de): 84
  • ZEIT-Artikel von Wolf Schneider „Nennen wir’s beim Namen“: 75

Mittel bis schwer

  • Radiobeitrag „Standfest bleiben! Gesunde Füße“ (BR): 68
  • Allgemeine Geschäftsbedingungen (Bundesanzeiger): 36 
  • Nutzungsbedingungen Hannover Rück (Web): 26

Abbau von Sprachbarrieren mit wenig Aufwand möglich

Welche Sprachgewohnheiten verbauen die Beziehung zwischen Versicherern und Privatkunden? 

1. Lange und verschachtelte Sätze

Lange Sätze sind kompliziert. Dadurch können Kunden wichtige Details übersehen oder missverstehen.

Schlechtes Beispiel: Im Falle eines Schadens, der durch einen Unfall, der von einem Dritten verursacht wurde, entstanden ist, müssen Sie zunächst den Schaden bei uns melden, bevor wir Ihnen dann, nach Prüfung der Sachlage, eine mögliche Entschädigung auszahlen können.

Gutes Beispiel: Wenn ein Dritter einen Schaden verursacht, melden Sie ihn bitte bei uns. Wir prüfen den Fall und zahlen Ihnen die Entschädigung aus.

2. Versicherungsdeutsch

Versicherungsdeutsch überfordert Kunden – Empfänger können wichtige Botschaften nicht richtig erfassen. Viele Fachbegriffe  sind überflüssig.

Schlechtes Beispiel: Ihre Deckung umfasst Schäden durch Brand, Blitzschlag und Explosion …

Gutes Beispiel: Ihr Versicherungsschutz umfasst Schäden durch Feuer, Blitz und Explosion …

3. Bürokratische Sprache

Bürokratische Sprache schafft Abstand zum Kunden. Das schwächt das Vertrauen in den Versicherer.

Schlechtes Beispiel: Wir unterbreiten Ihnen die Möglichkeit, die fälligen Beiträge bequem per Lastschriftverfahren zu begleichen.

Gutes Beispiel: Zahlen Sie Ihre Beiträge einfach per Lastschrift.

4. Überflüssige Komplexität

Unnötig komplexe Wörter und Formulierungen verwirren, frustrieren und überfordern Kunden. 

Schlechtes Beispiel: Die detaillierten Bedingungen und Anforderungen für den Versicherungsschutz finden Sie umseitig aufgelistet.

Gutes Beispiel: Die Bedingungen und Anforderungen für Ihren Versicherungsschutz stehen auf der Rückseite.

5. Zu starker Bezug zum Produkt

Wenn es in Texten um Produkte statt um Bedürfnisse der Versicherten geht, fühlen sich Kunden nicht verstanden. Das schwächt das Vertrauen in den Versicherer.

Schlechtes Beispiel: Unsere Privat-Haftpflichtversicherung prüft, ob Sie zum Ersatz des Schadens gegenüber Dritten verpflichtet sind. Sie zahlt bei berechtigten Schadenersatzansprüchen und wehrt unberechtigte Ansprüche ab – wenn es sein muss, auch vor Gericht.

Gutes Beispiel: Auf dem Weg zur Arbeit übersehen Sie einen Radfahrer und es kommt zum Unfall. Gut, wenn Sie bei uns haftpflichtversichert sind – wir zahlen Schadensersatz-Ansprüche und wehren unberechtigte Ansprüche ab.

Unterschiede einfacher Sprache und leichter Sprache

Einfache Sprache richtet sich an ein breites Publikum und macht komplexe Inhalte klar und anregend.

Leichte Sprache hingegen wurde für Menschen mit kognitiven oder Lernschwierigkeiten entwickelt und folgt strengeren Regeln für optimale Verständlichkeit.

Checkliste für verständliche Versicherungstexte

Verständlich

  • Ein Gedanke pro Satz
  • Eher kurze Sätze, nicht mehr als 15 Wörter im Durchschnitt
  • Kurze Wörter
  • Alltagsnahe Wörter
  • (Aussagekräftige) Verben
  • Kunden persönlich ansprechen
  • Aktive Sprache, handelnde Akteure
  • Lebensnahe Beispiele

Kompliziert

  • Lange Sätze
  • Schachtelsätze
  • Lange Wörter
  • Komplizierte Begriffe
  • Fachsprache
  • Viele Nomen
  • Passivstil
  • Konjunktiv (kann, könnte)
  • viele Füllwörter (in der Regel, darüber hinaus)
  • Worthülsen (individuell, innovativ, Know-how)

Wie verständlich sind Ihre Texte?

Einen schnellen und kostenlosen Überblick gibt Ihnen unsere Software WORTLIGA Textanalyse. Das Tool prüft Ihre Texte auf anregende Sprache und Verständlichkeit. Entwickelt wurde es in Anlehnung an das Hamburger Verständlichkeitskonzept und dessen Merkmale der Verständlichkeit: Einfachheit, Gliederung/Ordnung, Kürze/Prägnanz und anregende Zusätze.

Schwer verständlicher Produkttext zur Rechtsschutzversicherung

Schwer verständliche Formulierungen mit Software finden und vereinfachen.

Sie möchten Ihre Texte überarbeiten lassen? 

Sprechen Sie uns an. Mit unserem Texter-Service überarbeiten wir jährlich hunderte Seiten unserer Kunden und verbessern die Leser-Ansprache. Auf Wunsch setzen wir dabei KI-Technologie ein, was Ihnen Kosten bei der Überarbeitung spart.



Ihr Ansprechpartner:

Gidon Wagner
WORTLIGA Tools GmbH
Geschäftsführer
0160 938 78 311
gwagner@wortliga.de

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