EMOTIONEN IM CONTENT MARKETING
Warum Leser nicht rational entscheiden – und wie Sie trotzdem steuern können
Von Gidon Wagner
Die Gemeinplätze von Mario Bart tragen eine Wahrheit in sich: Frauen handeln wirklich nicht rational. Männer aber auch nicht. Erst recht nicht im B2B. Da geht’s bei Kaufentscheidungen nicht nur ums gut Aussehen, sondern ums gut Dastehen vorm Chef. Oder ums Wohl des eigenen Unternehmens. Keiner entscheidet da rein logisch. Am Ende siegt das Bauchgefühl – kennste dit? Wer sich fürs Content Marketing merkt, dass Nutzer nicht rational entscheiden, kann dafür bessere Inhalte produzieren. Eine Anleitung zu Content und Marketing für Menschen.
Worum geht’s in diesem Artikel?
Content Marketing macht aus Lesern Kunden. Das klappt am besten, wenn Sie Lesern geben, was sie wollen – und die wollen viel mehr als Fakten. Information reicht nicht, denn Menschen sind keine Maschinen. Ihre Leser sind nicht rational! Marketer tun aber oft so, als wären Menschen reine Logiker, und arbeiten dadurch an der Zielgruppe vorbei. Menschen entscheiden aus dem Bauch heraus, wie der Text zeigen wird. Hier geht es darum, wie Sie Ihre Content Marketing-Strategie und Inhalte auf die emotionalen Bedürfnisse Ihrer Zielgruppe ausrichten – und damit den ganzen Menschen hinterm Bildschirm gewinnen.
Kunden sind größere Bauch-Entscheider, als wir wahrhaben wollen
Bis vor einigen Jahren kündigten viele Leser der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bei Preiserhöhungen regelmäßig ihr Abonnement. Der Grund wird Sie überraschen:
Der Verlag kündigte traditionell die Erhöhung auf der ersten Seite der Zeitung an. Er ging völlig rational davon aus, dass Leser den Preis kannten und darüber informiert werden mussten – der erste Irrtum. Die meisten Leser kannten und kennen den genauen Preis ihrer Zeitung nicht.
Der zweite Irrtum war noch schlimmer: Die FAZ machte als Entgegenkommen ihre Auflage dicker. Rationale Menschen würden sich darüber freuen – die gibt es aber nur in unserer Phantasie. Wie die Unternehmensberatung Vocatus herausfand, kündigten die Abonnenten ihre Lieblingszeitung unter anderem genau deshalb; weil sie dicker wurde. Dr. Florian Bauer, Vorstand der Vocatus AG sagt im Interview mit Kress.de: „Je dicker die Zeitung, desto größer der ungenutzte Teil. Und desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass der Kunde sein Abo demnächst kündigt.“ Die Unzufriedenheit bei den Leser wuchs, weil sie die Zeitung während des Frühstücks nicht mehr ganz durchlesen konnten. Mit diesem Wissen und weiteren empirischen Untersuchungen der Unternehmensberatung erhöhte die FAZ ab hier die Preise gezielt, ohne sie an die große Glocke zu hängen und ohne die Zeitung dicker zu machen. Die Kündigungen gingen zurück. Der jährliche Gewinn aus Vertriebserlösen stieg dadurch um 9,6 Mio Euro pro Jahr.
Der Weg in den Kopf des Kunden führt nicht über die Augen, sondern das Herz
Wie produziert man Inhalte fürs Content Marketing – das doch meistens von Informationen und Fakten lebt – für Menschen, die so unberechenbar sind?
1. Sorgen Sie dafür, dass Ihre Inhalte Spaß machen
Vom rationalen User und Kunden auszugehen, kann also alles kaputt machen, wie das Beispiel der FAZ zeigt. Und vor irrationalen Nutzern ist niemand sicher. Die FAZ-Kunden und alle anderen irrationalen Zeitungskäufer sitzen tagsüber in Ihren Büros und treffen eine Entscheidung nach der anderen. Natürlich mit objektiven Zielen und Vorgaben. Aber als Menschen, nicht als rationale Roboter (oder Vulkanier).
Das Wissen um das irrationale Verhalten von Nutzern birgt aber auch großes Potenzial fürs Marketing. Was heißt das konkret fürs Content Marketing und Ihre Strategie?
Niemand achtet bloß auf Information und Fakten. Ihre Leser müssen emotional involviert werden. Die Texte müssen nicht nur inhaltlich überzeugen und helfen, sondern auch unter die Haut gehen. Rein rationalen Nutzern wäre alles außer Fakten und Nutzen egal. Bei echten Menschen haben Sie ein Stein im Brett, wenn Sie Emotionen, Bilder und Verlangen erzeugen. Wenn Sie Spaß machen!
Nutzerfreundlich sein, Zeile für Zeile für Zeile! Sorgen Sie für ein geniales Lese-Erlebnis: Haben Sie sich noch nie für einen Dienstleister oder Service entschieden, weil Sie ihn einfach fair und sympathisch fanden? Der Online Marketing-Berater Karl Kratz treibt dieses Prinzip in seinem Impressum auf die Spitze. Er bricht die üblichen verklausulierten Jura-Text-Kotzbrocken in bekömmliche Häppchen mit verständlicher Sprache auf und bereitet dem Besucher sogar noch bei der Disclaimer-Lektüre Lesespaß.
2. Unterscheiden Sie zwischen Mitarbeitern und den Unternehmen, in denen sie arbeiten
Ihre Kunden haben einen Kopf, mehr oder weniger Haare und sitzen meistens auf einem Stuhl. Ihre Leser und Kunden sind nicht die Unternehmen, sondern deren Mitarbeiter!
Wir haben es im (Content) Marketing mit objektiven Zielen und mit persönlichen Zielen zu tun. Was heißt das für die Nutzer-Ansprache?
Dieses kurze Beispiel zeigt, was wir meinen:
Lieschen Müller arbeitet im Marketing und ihr Chef erwartet von ihr, dass sie auf seine Website jede Menge knackige Interessenten schaufelt. Wie genau, ist ihm erst einmal egal. Sie sucht also nach Know-how und Ansätzen, wie sie das schaffen kann. Sie will das mit dem Online Marketing wirklich verstehen, bevor sie sich für einen Dienstleister entscheidet. Aber da ist auch noch etwas anderes, nach dem sie sucht: Sie will eine Lösung finden, mit der sie auch wirklich zeigen kann, was ihre neuen Maßnahmen bringen. Ohne es zu wissen, sucht sie nach einem Dienstleister, der besondere Stärken in den Reportings hat. Sie möchte keinen Zweifel daran lassen, dass es ihre Leistung ist, die das Unternehmen nach vorn bringt. Nicht nur, aber auch wegen der anstehenden Mitarbeitergespräche, für die Frau Müller mit Blick auf ihre nächste Gehaltserhöhung überzeugen möchte.
Nutzen Sie Ihre Inhalte als Bühne für emotional verbundene Leser
Das trockenste B2B-Thema können Sie allein durch die Sprache des Textes knackiger machen (Kandidaten wie Frau Müller werden den Dienstleister bevorzugen, der am verständlichsten beschreibt). Ganz zu schweigen davon, den Leser und seine gar nicht trockenen Bedürfnisse in den Mittelpunkt zu rücken. Was will der? Sowohl geschäftlich als auch persönlich? Welche persönlichen Vorteile hat er bei Ihnen?
Jeder Ihrer Nutzer hat eine persönliche Geschichte und Absichten, die zunächst nur indirekt mit den konkreten Unternehmenszielen zu tun haben. Was hat er davon, mit Ihnen Kontakt aufzunehmen, abgesehen von den Vorteilen, die Sie seinem Unternehmen oder Arbeitgeber bieten? Das sollte in Ihren Inhalten sichtbar und spürbar werden. Macht es vielleicht einfach Spaß, Ihre Beiträge und Texte zu lesen und entsteht dabei das Verlangen, mit Ihnen zu sprechen? Verspricht Ihr Produkt vielleicht die Lösung, mit der sich der Besucher in seinem Unternehmen profilieren und weiterentwickeln kann? Mit welchen Geschichten zu Ihrem Produkt können Sie dieses Versprechen glaubhaft rüberbringen? Vielleicht über das Interview mit dem zufriedenen Referenzkunden, das mehr als Werbung ist, sondern dem Nutzer den Wert Ihrer Lösungen in der Praxis zeigt.
3. Ent-rationalisieren Sie Ihre Zielgruppen und Ihre Content Marketing-Strategie
Legen Sie das klassische Bild von rational denkenden und entscheidenden Kunden zur Seite, das wir alle haben. Es stimmt nicht. Wie oben geschrieben, sind Kunden immer Menschen, auch im B2B. Ihre Texte müssen nicht nur Fakten und Nutzen vermitteln, sondern auch Nähe. Informationen, wenn man so will, über die Ihre Leser nicht nachdenken müssen, sondern die sofort Verbundenheit erzeugen.
Nähe in redaktionellen Inhalten heißt: Empathisch kommunizieren, aus Sicht der Leser denken und schreiben. Sich in die Nutzer hineinversetzen und auch herausfinden, was ihn Ihren Besuchern vorgeht, wenn sie auf Ihre Website kommen. Welche Fragen und Probleme tragen sie im Kopf? Aus welcher Situation heraus interessieren sie sich für Ihre Themen (sie interessieren sich für Ihre Themen, sonst wären sie nicht da).
Schaffen Sie mehr Nähe zum Leser in Ihren Inhalten
Ausgehend von beratenden Inhalten – die häufigste Form im Content Marketing – sollte die Gewichtung Ihrer Inhalte so aussehen:
- Nutzen (75 Prozent) – Nutzer sind nach dem Lesen und Sehen Ihrer Inhalte zu mehr in der Lage als davor. Sie ziehen einen konkreten Nutzen aus Ihren Inhalten, für ihre Entscheidungsfindung etwa, oder in ihrer Entwicklung.
- Nähe (20 Prozent) – Der Leser hat gleich das Gefühl, dass er hier richtig ist – dass es hier um ihn geht. Er erkennt sich in Ihren Inhalten wieder, weil Sie aus seiner Sicht schreiben und keinen Zweifel daran lassen, dass er hier echte Hilfe bekommt.
- Neues (5 Pozent) – Nutzwertige Inhalte sind zeitlos wertvoll – viel sollten Sie daran in zwei Jahren nicht überarbeiten müssen, wenn einige Details veraltet sind. Aktuelle Informationen und Hintergründe setzen Sie am besten sparsam ein. Sie wollen dem Leser bei seinem konkreten Problem helfen (und darüber zum Interessenten machen) und ihn nicht mit zuviel News überfordern. Aktuelles lassen Sie am besten zwischen den Zeilen einfließen und kommen gleich zur Sache. Mit viel Nutzen und ordentlich viel Nähe!
Die vier Voraussetzungen für emotional verbundene Leser:
Damit Ihr Text überhaupt gelesen wird, muss das Grundgerüst stimmen. Wir sprechen hier noch nicht vom Inhalt, sondern von den absoluten Basics. Wenn Sie die gewährleisten, findet Ihr Text Gehör. Für das Fleisch am Knochen – Inhalte, die Nutzer wirklich mitreißen – lesen Sie die Checkliste am Schluss des Artikels.
- Prägnanz: “Ich liebe Dich.”; “Du fehlst mir.”; “Hau ab!” – Dinge, die uns wirklich wichtig sind, sagen wir in wenigen Worten. Lassen Sie Ihrem Leser genug Raum, Ihre Infos zu verarbeiten und versperren sie ihm nicht den Weg mit zu vielen unnötigen Worten. Prägnanz ist ein wichtiges Werkzeug für verständliche Inhalte. Und nur verständliche Texte kommen an; docken wirklich an Hirn und Herz Ihrer Nutzer an.
- Stimulanz: Wenn Sie Nutzer emotional abholen wollen, ist kein Platz für langweilige Sprache. Das Lesen muss Spaß machen, die Informationen müssen direkt in den Kopf finden, der Leser soll nicht denken müssen oder ungeduldig auf das Ende des Inhalts warten. Dabei helfen viele Verben, Sprachbilder (bitte keine abgenutzten Floskeln) und abwechselnd mittellange und kurze Sätze sowie möglichst kurze Wörter.
- Einfachheit: Machen Sie Ihre Inhalte nicht komplizierter, als sie sein müssen. Das Prinzip ist dasselbe wie beim Punkt Stimulanz; je einfacher ihr Text zu verstehen ist, desto größer sind die Erfolge in der Beziehung mit Lesern und Nutzern. Lebhafte Beispiele, klare Botschaften und direkte Sprache helfen dabei.
- Ordnung: Bitte verschonen Sie Leser mit Textwüsten, sondern lockern Sie Ihren Text mit kurzen Absätzen, Zwischenüberschriften, Aufzählungen, Listen und anderen Text-Elementen auf. Machen Sie Ihren Text außerdem leicht scannbar und gliedern Sie ihn logisch.
Checkliste für Content, der den Leser rational und emotional abholt:
Im Content Marketing geht es darum, Grundsteine für eine Beziehung mit Menschen zu legen, in wenigen Minuten! Und dafür stehen uns im Text verschiedene Werkzeuge zur Verfügung: