Meine wichtigsten Erkenntnisse über guten Schreibstil

Guter Schreibstil geht auf die Bedürfnisse der Leser ein. Der Autor ist konkret, verständlich, spricht die Sprache der Leser und erspart ihnen aufgeblähte Texte. Hier liest Du meine wichtigsten Grundsätze für guten Stil.

Lass das Fachjargon weg

Daniel M. Oppenheimer widerlegte einen bei Studenten weitverbreiten Mythos darüber, welches Vokabular Professoren am meisten beeindruckt. Das Ergebnis: Es ist ein Anzeichen geringer Intelligenz und Glaubwürdigkeit, wenn man geläufige Ideen in einer hochtrabenden Sprache formuliert.

Das empfinden also sogar Professoren so, die mit dem entsprechenden Fachjargon vertraut sind. Wie negativ wirken sich komplizierte Formulierungen dann erst auf Deine normalen Leser aus?

„Adäquate Aphorismen affirmieren Deine Aussage.“

Nein, das ist die Alliteration nicht wert. Stattdessen lieber:

„Geflügelte Worte eignen sich gut, um Deine Aussage zu verstärken.“

Nur ein sehr beschränkter Geist ließe sich mit der ersten Version beeindrucken. Es ist sehr frustrierend, in einem Satz jedes dritte Wort nachschlagen zu müssen; nur um festzustellen, dass man die Aussage sofort verstanden hätte, wäre sie gehirngerecht verpackt gewesen. Dieser Umstand wird keinen Leser von der Kompetenz des Autors überzeugen.

Mach konkrete Aussagen

Gegeißelt von der Angst, mit spezifischen Aussagen Leser zu vergraulen, flüchten sich Autoren in ein allgemeines Blabla.

Du kennst wahrscheinlich Shazam. Die App erkennt Musik in kurzer Zeit und zeigt Dir Interpret und Titel des jeweiligen Liedes an. Nehmen wir an, Shazam hätte noch nicht über eine Milliarde Downloads. Welcher Satz würde Dich mehr überzeugen?

„Shazam erkennt in kurzer Zeit fast jeden Musiktitel.“

Oder

„Shazam erkennt sogar Progressive Viking Metal aus der norwegischen Underground-Szene und liefert Dir in Sekundenschnelle Titel und Interpret.“

Zugegeben, der zweite Satz ist viel länger. Aber ein anderer Trugschluss geht damit einher: dass er sich nur an Hörer von norwegischem Progressive Viking Metal richtet. Doch das Gegenteil ist der Fall. Fans von anderen Musikrichtungen werden denken: „Okay, wenn Shazam sogar das erkennt, dann erkennt es auch meine Nische!“

Konfrontierst Du die gleichen Menschen mit der ersten Aussage, denken sie womöglich: „Na super, und ich gehöre mal wieder zu dem Fast-Teil, dessen Musik nicht von Shazam erkannt wird.“

Obwohl sich die konkretere Aussage auf eine viel kleinere Gruppe bezieht, fühlen sich mehr Menschen davon angesprochen. Eine allgemeine Aussage hingegen ist oft zu abstrakt, um ihre Wirkung zu entfalten. Arbeite deshalb mit Beispielen.

Schaffe Vertrauen und Nähe mit Umgangssprache

Deine Marketingtexte sind keine Doktorarbeit. Umgangssprache verringert die Distanz zwischen Autor und Leser und macht Deine Texte prägnanter.

Ein einfaches „So geht’s“ ist eingängiger als ein umständliches „Das bewerkstelligst Du folgendermaßen“. Dosiere die Umgangssprache in Deinen Texten sorgfältig, aber beachte ihre Vorteile. Denn zu oft fürchtet man nur ihre vermeintlichen Nachteile.

Auch Verkürzungen wirken oft umgangssprachlich, haben aber einen positiven Effekt.

„Mit der folgenden Methode erzielst Du bessere Ergebnisse:“

Lieber einfach nur:

„So klappt es besser:“

Dein Leser wird Dir die Umgangssprache verzeihen, wenn sie ihm unnötige Lesestrapazen erspart. Nutze sie als Stilmittel, um mit Deinem Leser auf Augenhöhe zu kommunizieren und um Deine Texte zu vereinfachen.

Spare Adjektive

Nicht alle Adjektive sind schlecht, aber für viele Schreiber sind sie das Maggi Fix in ihren Texten – rein damit, dann schmeckt’s den Lesern schon einigermaßen.

Doch wer einen toten Text mit Adjektiven belebt, bekämpft nur Symptome und keine Ursachen.

Nicht immer sind Verbalkonstruktionen das Allheilmittel: Wenn Du über einen roten Tisch schreibst, wird er nicht dadurch lebendiger, dass er rot angestrichen wurde.

Aber wenn ein Wanderweg gefährlich ist, hat die Aussage Luft nach oben: Was ist passiert, dass der Wanderweg das Attribut verdient? Unzählige Wanderer haben Knochenbrüche erlitten, weil sie auf dem brüchigen Untergrund ausgerutscht sind.

Die Aussage ist konkreter geworden und liefert einen höheren Mehrwert. Möglicherweise weil das Adjektiv hinterfragt wurde. Mehr zum Thema Adjektive erfährst Du im Abschnitt Wer die Adjektive weglässt, schreibt bessere Texte – Storytelling-Tipps von Christoph Seidl (ABP).

Video zum Thema Adjektive: Was kann ich statt ‚gut‘ sagen? Abgenutzte Adjektive sparen statt langweilen

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Wäge jedes Füllwort ab

Ein Text ganz ohne Füllwörter ist ein unverdaulicher Klumpen aus Buchstaben. Doch ein Text mit zu vielen Füllwörtern wirkt aufgebläht und ungenau. Einige Füllwörter relativieren die Aussage und vermitteln den Eindruck, dass der Autor sich seiner Sache nicht sicher ist. Andere Füllwörter verstärken die Aussage, und auch das kann unnötig sein.

Eine ausführliche Liste und einen Versuch, diese Wörter in sinnvolle Gruppen einzuteilen, findest Du im Abschnitt Welche Füllwörter vermeiden?

Mache nicht den Fehler, Füllwörter pauschal zu verteufeln. Dennoch lohnt sich ein genauer Blick, denn ihre Verwendung haben wir uns über Jahre antrainiert:

„Manchmal bist Du etwas unfreundlich“ geht uns leichter über die Lippen als „Du bist unfreundlich“. Die Relativierung erleichtert es uns, hinter der Aussage zu stehen. Gleichzeitig verringert sie den Lerneffekt, denn manchmal etwas ist noch kein Problem, oder?

Betrachte die Füllwörter in Deinem Text daher einzeln und genau: Welche liefern einen Mehrwert für die Bedeutung oder sind der Sprachmelodie zuträglich? Widme Dich dieser Frage erst im Lektorat, damit Dein Schreibfluss nicht gehemmt wird.

Motivation für Autoren: „Ich kann nicht schreiben“ – stimmt nicht!

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Jeder kann texten, sobald er seine Stimme findet.

Auf dem Weg dorthin schütteln wir das ab, was wir in Schule, Studium und in der Ausbildung gelernt haben – außer, wir hatten Glück und Lehrer, die auf guten Stil mehr Wert legten als auf „anspruchsvolle Sprache“. Diese sogenannte anspruchsvolle Sprache ist nichts als Ballast, wenn wir wollen, dass Leser unsere Texte wahrnehmen.

Schreiben ist 80 Prozent Handwerk, 20 Prozent Talent

Wenn wir das Texten lernen, verlernen wir schlechten Stil, den uns die Gesellschaft beigebracht hat. Dafür legen wir Gedanken wie „Ich kann nicht schreiben“ ab und merken beim täglichen Üben, wie wir besser werden. In vielen kleinen Schritten, die alle Autoren gehen mussten.