Interview-Tipps: So bereitest du dich vor und führst das Gespräch

Interviews gehören zum Berufsalltag eines Journalisten – allerdings geht es dabei um viel mehr, als nur ein paar Fragen zu stellen. Wir zeigen dir, wie deine ersten Interviews ein voller Erfolg werden.

Vorbereitung auf Dein Interview

Termin vereinbaren

Sobald feststeht, wen du interviewst, musst du deinen Gesprächspartner anrufen oder eine E-Mail schreiben. Plane dafür genug Zeit ein! Nicht immer ist dein Interviewpartner (oder dessen Vertreter) sofort erreichbar oder verfügbar. Gibt es eine Deadline (zum Beispiel, weil demnächst Redaktionsschluss ist), sollte die Kontaktaufnahme mit deinem Interviewpartner rund zwei Monate vorher erfolgen – so stresst du weder dich, noch dein Gegenüber.

Wenn du nicht gerade die nette Nachbarin von nebenan interviewst, wird die Kontaktaufnahme meistens über die Pressestelle, die Agentur oder einen Pressesprecher des Interviewpartners ablaufen. Kontaktdaten findest du üblicherweise recht schnell über das Internet. Ob du anrufst oder lieber eine Mail schreibst, bleibt dir selbst überlassen – Hauptsache, du wirkst professionell – also zielgerichtet, freundlich und authentisch. Nötige Informationen über das Medium, in dem das Interview veröffentlicht werden soll, solltest du immer bereit halten.

Informiere dich über deinen Gesprächspartner

Sobald dein Interviewtermin feststeht, musst du mit der Personenrecherche beginnen. Du brauchst ein klares Bild von deinem Interviewpartner – sammle also genügend Hintergrundwissen über die zu interviewende Person. Grundsätzlich solltest du dich fragen: Welche Informationen benötige ich von ihm/ihr? Dein Interview hat höchstwahrscheinlich einen klaren Grund: es kann zum Beispiel die Kommunalwahl anstehen, oder ein Musiker hat ein neues Album herausgebracht, usw. Davon ausgehend solltest du deinen Fragenkatalog gestalten. Als Faustregel gilt: mindestens 20 Fragen solltest du parat haben, bei längeren, intensiveren Gesprächen bis zu 35.

Sei dir außerdem bewusst, welche Schwierigkeiten bei deinem Interview auftauchen können. Der „worst case“ ist wahrscheinlich ein schwerfälliger, stiller Interviewpartner, bei dem der Gesprächsfluss stockt. Aber auch sehr kritische Interviewpartner bringen einen schnell aus der Fassung. Wenn dir jemand jedes Wort im Munde herumdreht, kann man schon mal nervös werden. Bereite dich also auf Hindernisse vor. Wenn möglich, telefoniere vorher mit deinem Gesprächspartner – so lässt sich meistens schon gut einschätzen, wie das Interview laufen wird.

Exkurs: Ein Interview mit Serdar Somuncu

Für ZEITjUNG.de habe ich im März 2015 den Kabarettisten Serdar Somuncu interviewt. Um zu verdeutlichen, wie die Vorbereitung eines Interviews laufen kann, hier das Protokoll dazu:

02. Februar: Kontaktaufnahme mit dem Pressesprecher per Mail – dessen E-Mail-Adresse war auf Serdars Website ganz einfach unter dem Punkt „Presseanfragen“ zu finden. Ansonsten lohnt sich immer ein Blick ins Impressum, wenn man z.B. die Telefonnummer eines PR-Agenten benötigt. Dort sind in der Regel alle Informationen aufgelistet.
Wer für ein Online-Magazin arbeitet, sollte bei einer Interviewanfrage per Mail einen kurzen Einleitungstext parat haben. In diesem steht dann eine Kurzbeschreibung des Mediums, ggf. monatliche Seitenaufrufe und „Likes“ auf Facebook sowie – kurz und bündig – der Grund der Anfrage. In diesem Fall stand eine große Tour Serdars bevor, außerdem feiert der Kabarettist in diesem Jahr sein 30jähriges Bühnenjubiläum. Ein perfekter Aufhänger für ein Interview also.

05. Februar: Der Pressesprecher bittet mich in seiner Antwortmail um ein kurzes Telefonat. Ich rufe ihn zurück, wir besprechen, welchen Inhalt das Interview mit Serdar haben soll und wann ich ihn treffen könnte. Eigentlich sei Serdar in nächster Zeit gar nicht in München, sagt mir der Pressesprecher. Ob ein Telefoninterview auch klappen würde? Ich sage zu, obwohl ich betone, dass ich doch wirklich sehr gerne mit ihm persönlich reden möchte. Wir verbleiben ohne festen Termin.

11. März: Der Pressesprecher mailt mir einen Termin, an dem das Telefoninterview stattfinden könnte. Ich hake dennoch nach, ob nicht doch ein persönliches Treffen machbar wäre.

12. März: Das lange Nachfragen hat sich gelohnt: Serdar ist demnächst für einen Auftritt in der „Anstalt“ in München zu Gast und hätte für ein kurzes Interview Zeit. Ich telefoniere nochmals kurz mit dem Pressesprecher und lasse ihm alle terminlichen Optionen für das Treffen offen.

20. März: Ich bekomme eine weitere Mail mit Ort und Zeit des Interviews. Außerdem schickt mir der Pressesprecher einen ganzen Stapel an Informationen, die ich zur Vorbereitung nutzen kann (etwa den Link zu einem aktuellen Radiointerview, die Pressemitteilung zur Tour und einige Pressebilder). Das ist eigentlich eher unüblich, umso mehr freut es mich, dass ich mir nun einen kleinen Teil der Personenrecherche sparen kann.

22. März: Zeit für die Recherche. Ich bevorzuge es, so umfassend wie möglich auf meinen Interviewpartner vorbereitet zu sein – natürlich macht die Personenrecherche auch mehr Spaß, wenn man den Interviewpartner nicht nur aus beruflicher Sicht interessant findet. Je mehr Informationen ich über mein Gegenüber habe, desto besser kann ich mich später mit ihm unterhalten. Ich lese mir alte und neue Interviews mit Serdar durch, schaue Mitschnitte von Auftritten auf YouTube an und kann so immer genauer einschätzen, mit wem ich es zu tun habe.

23. März: Erstellung des Fragenkataloges. Vorsicht ist besser als Nachsicht, also schreibe ich rund 20 Fragen auf, auch, wenn das Interview nur auf eine halbe Stunde angesetzt ist. Thema ist, natürlich, die anstehende Tour, außerdem frage ich ihn nach seinen Eindrücken zur aktuellen Rassismusdebatte, zur Enttabuisierung von „Mein Kampf“ und zu vielen anderen Dingen. Was am Ende dann im fertigen Interview landet, ergibt sich natürlich erst später.

24. März: Das Interview läuft optimal ab. Wie erwartet ist Serdar extrem gesprächig, antwortet rhetorisch einwandfrei und am Ende bleibt ein durchweg positiver Gesamteindruck. Mission accomplished!

Während des Interviews

Sobald dir dein Interviewpartner gegenüber sitzt, lautet die oberste Regel: Ruhe bewahren! Das Gespräch mit einem Unbekannten (vielleicht sogar einem „Promi“) kann einen zwar oft ein wenig überfordern, allerdings möchtest du natürlich professionell wirken. Entspann dich und lass dir ruhig ein bisschen Zeit, bevor du deine Fragen stellst. Ein wenig Smalltalk schafft eine angenehme Atmosphäre. Psycho-Hack: bitte deinen Interviewpartner, dir etwas zu reichen (etwa die Flasche Wasser, die auf dem Tisch steht). Denn: wenn du jemanden bittest, dir einen Gefallen zu tun, erscheinst du ihm sympathischer; dieses Phänomen nennt man auch den Benjamin-Franklin-Effekt.

Behalte im Gespräch die Oberhand

Du spürst schnell, ob das Interview „läuft“ oder nicht. Behalte aber stets dein Ziel im Auge: Du willst möglichst viele Informationen von deinem Gegenüber bekommen. Je mehr dein Gesprächspartner redet, desto mehr gute Informationen wirst du erhalten. Stelle also auf keinen Fall geschlossene Fragen – das sind Fragen, auf die man nur mit „Ja“ oder „Nein“ antworten kann. Statt „Hat Ihnen das gefallen?“ fragst du besser „Wie haben Sie [diese Sache] empfunden?“.

Wie bei jedem ernsten Gespräch ist es klüger, nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen. Deshalb gilt: die unproblematischen Fragen zuerst stellen. Bevor du den Politiker X also zum Schmiergeldskandal seiner Partei befragst, sollte sich das Interview zuerst über schlichtere Dinge (wie zum Beispiel die aktuelle Kommunalwahl) drehen. So lässt du deinem Gesprächspartner genügend Zeit, sich zu akklimatisieren und sich zu entspannen.

Das antizyklische Verhalten

Das Prinzip des antizyklischen Verhaltens kann angewendet werden, um den Gesprächspartner entweder in seinem Redefluss zu stoppen, oder um ihn aus der Reserve zu locken. Kurz gesagt: redet er viel und ausschweifend, stellen wir kurze Gegenfragen wie „Und weshalb?“. Antwortet er nur knapp, holen wir weit aus: „Es gab doch durchaus Missstände zu beklagen, Sie haben in einigen Interviews bereits zugegeben, dass Schmiergelder geflossen sind. Was sagen Sie dazu?“.

Nach dem Interview

Je nach Medium müssen deine Notizen bzw. die Aufnahme des Gesprächs noch verschriftlicht werden. Die wenigsten Interviewpartner reden wirklich druckreif, verzweifle also nicht am wirren Kauderwelsch auf deinem Aufnahmegerät. Du solltest zwar auf eine möglichst wortgetreue Verschriftlichung achten, allerdings ist es kein Problem, Satzteile oder Ähnliches zu verschieben, wenn sich damit dein Text am Ende besser liest.

In der Regel möchte dein Interviewpartner bzw. sein Pressesprecher die Verschriftlichung gegenlesen. Diese Autorisierung musst du auch definitiv zugestehen. Immerhin geht es um gegenseitige Fairness, und schon aus rechtlichen Gründen (der Interviewte ist Miturheber) darf Gegengelesen werden. Wenn der Gesprächspartner krasse Änderungen fordert, kannst du das als Journalist ablehnen. Die Autorisierung müsse sich auf rein sachliche oder sprachliche Korrekturen beschränken, schreibt der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hierzu. Nachträgliche Änderungen, die die Authentizität des Interviews oder einen wesentlichen Aussagegehalt konterkarieren, könnten die Redaktionen ablehnen.

Checkliste für deine ersten Interviews

  • Termin frühzeitig vereinbaren

    Schreibe deinem gewünschten Interview-Partner eine E-Mail oder rufe ihn an. Damit kein Stress entsteht, beginne zwei Monate im Voraus.

  • Kontaktaufnahme planen

    Recherchiere, wie du Kontakt zu Deinem Interview-Partner aufnimmst. Halte Informationen über das Medium bereit, auf dem das Interview erscheinen soll. Kontaktdaten zum Management, der Agentur oder der Pressestelle deines Gesprächspartners findest du meistens im Netz.

  • Recherchiere möglichst viel

    Hole möglichst viele Informationen über deinen Gesprächspartner ein. Mach dir dabei klar, was du im Interview überhaupt fragen willst. Was interessiert deine Leser besonders? Bereite mindestens 20 Fragen vor, bei komplexeren Themen können es bis zu 35 Fragen sein. Versuche auch, Neue Aspekte zu finden, die kein anderer vor dir gefragt hat.

  • Lerne die Person vor dem Interview kennen

    Wenn es geht, solltest du mit deinem Gesprächspartner schon vor dem Treffen oder dem Telefonat kurz sprechen. Dabei merkst du, ob er ein kritischer Gesprächspartner oder eher offen und kooperativ ist. Du kannst dann besser einschätzen, ob du dich auf ein schwieriges Gespräch vorbereiten musst.

  • Lockere das Gespräch auf

    Ein bisschen Smalltalk am Anfang lockert die Atmosphäre auf. Sei nicht verkrampft, aber komme auch bald zu deiner ersten Frage.

  • Einfache Fragen am Anfang stellen

    Starte das Gespräch mit ein paar unverfänglichen Fragen, die dem Gesprächspartner einfach von den Lippen gehen. So lässt du deinem Interview-Partner genug Zeit, sich an das Gespräch zu gewöhnen.

  • Stell keine geschlossenen Fragen

    Stelle möglichst wenig Fragen, auf die dein Interview-Partner einfach mit „ja“ oder „nein“ antworten kann. Du und deine Leser wollen möglichst viele, spezifische Informationen oder hautnahe Eindrücke bekommen.

  • Lenke das Gesräch in die richtige Richtung

    Niemand möchte eine Antwort lesen oder hören, die fünf Minuten dauert und dabei alles und nichts streift. Aber auch sehr kurze und ungenaue Antworten langweilen. Hake mit ergänzenden Fragen wie „Und das bedeutet?“ oder „Und weshalb?“ nach, um deinen Gesprächspartner aus der Reserve zu locken oder ihn in seinem Redefluss zu stoppen.

  • Bring die Sätze in Form

    Mach aus dem Gesprochenen klare Sätze, ohne den Sinn zu verändern. Bring Deine Aufnahme oder Notizen des Gesprächs möglichst wortgetreu zu Papier, aber stell Satzteile ruhig um, damit sich der Text besser liest.

  • O-Töne freigeben lassen

    Schicke deinem Interview-Partner den fertigen Text, damit er seine O-Töne freigeben kann. Für die Freigabe ist oft auch die Pressestelle oder Agentur des Gesprächspartners zuständig.

Bildquelle: Neil Conway unter CC BY 2.0