Effizient schreiben: Wie man schnell einen guten Text produziert

Ein Fachbeitrag von Schreibcoach Steffen Sommer.

Wie ich diesen Typen beneidete! Die meiste Zeit schien er nichts zu tun. Er saß einfach da, zurückgelehnt in seinem Bürostuhl, den Blick durch die Nickelbrille und das Fenster in den Himmel gerichtet. Nur kurz und selten sah man ihn am Laptop in die Tasten hauen.

Und doch produzierte Markus Reiter damals an manchem Arbeitstag in unserer Agentur mehr Text als ich in einer ganzen Woche. Schlimmer noch: Seine Texte waren richtig gut.

Ganz schlecht waren meine auch nicht. Aber es dauerte ewig, bis ich sie zu Papier brachte. Während Markus schon eine Feierabendrunde durch den Stuttgarter Schlossgarten joggte, quälte ich mich noch immer durch mein texterisches Tagwerk.

Die meisten schreiben ineffizient

Heute, fast 20 Jahre später, weiß ich, dass die meisten so schreiben, wie ich damals schrieb: mit der Geschwindigkeit einer Weinbergschnecke.

Das Problem der Langsamschreiber? Sie machen alles gleichzeitig: Sie tippen ihren Text schon, obwohl sie noch nicht wissen, was sie sagen möchten. Sie haben keine klare Idee für den roten Faden, sondern reihen planlos und deswegen mühsam Satz an Satz. Und Langsamschreiber feilen – während sie schreiben – wie besessen an jedem zweiten Wort, als wäre es ein Stab im Gitter-Fenster ihrer Gefängniszelle.

Viele Autoren überarbeiten ihre Texte 30, 40 Mal – und zwar lange bevor die erste Fassung fertig ist.

Das kann man so machen. Aber schnell ist was anderes. Hilfreiche Texte kommen so höchstens zufällig zustande. Und Spaß macht diese Art zu Schreiben garantiert nicht.

Hör auf, aus dem Bauch heraus zu schreiben!

Das Geheimnis der Schnellschreiber ist einfach: Sie denken, bevor sie schreiben.

Das hört sich jetzt vielleicht arrogant an. Als würdest du dir nichts denken beim Schreiben. Natürlich tust du das. Aber womöglich machst du dir deine Gedanken zur falschen Zeit. Der Schweizer Medienlinguist Daniel Perrin hat Schnell- und Langsamschreiber untersucht. Die wichtigste Erkenntnis: Der Prozess macht den Unterschied.

Wenn du schnell gute Texte schreiben willst, darfst du dich nicht gleichzeitig um Inhalt, Struktur und Sprache kümmern. Du musst deinen Schreibprozess zerlegen und die verschiedenen Phasen in der richtigen Reihenfolge durchlaufen.

Effizient schreiben: So führst du den Flow herbei

Kläre alle Fragen zu deinem Text, bevor du in die Tasten haust. Folgende Reihenfolge hat sich bewährt:

1. Bringe als erstes den Inhalt deines Textes auf den Punkt!

Wer soll das lesen? Was will ich diesen Leuten mit meinem Text sagen? Interessiert sie das überhaupt?

Beginne erst mit dem Schreiben, wenn du diese Fragen überzeugend und in maximal drei kurzen Sätzen beantworten kannst. Sonst wirst du dich durch einen elenden, schneckenschleim-zähen Prozess quälen, bis ein halbwegs brauchbarer Text dabei herauskommt.

Schreibe die Überschrift und den Vorspann immer zuerst! Beantworte deinen Lesern darin zwei Fragen: „Worum geht’s?“ und „Und warum soll ich das jetzt lesen?“ So bringst du den Inhalt deines Textes in einer glasklaren und interessanten Botschaft auf den Punkt.

Um diese Botschaft – und um nichts anderes – dreht sich dein Text.

Jetzt hast du ein Ziel: einen Inhalt, der sich für dich und deine Leser lohnt.

2. Plane als zweites die Struktur für deinen Text!

Die nächste Frage, die du klären musst, bevor du schreibst, ist die nach dem Weg: Wie gliedere ich meinen Text?

Dazu empfehle ich dir dringend, dein Recherchematerial erst einmal gründlich zu sieben. Filtere alles heraus, was du brauchst, um deine Botschaft zu senden!

Alles andere wirfst du in den Papierkorb.

Lasse nur Informationen, Zahlen, Szenen und Zitate in den Text, die deiner Botschaft dienen!

Der Autor des kleinen Prinzen, Antoine de Saint-Exupéry, formulierte es so: „Vollständigkeit entsteht nicht dann, wenn man nichts mehr hinzufügen kann, sondern wenn man nichts mehr wegnehmen kann.“

Fasse also den Mut, alles wegzulassen, was dein Publikum nicht braucht, um deine Botschaft zu verinnerlichen!

Jetzt musst du dein Material nur noch in die richtige Reihenfolge bringen.

Was richtig ist, hängt davon ab, was du mit deinem Text willst. Möchtest du informieren, motivieren, kommentieren, verkaufen oder unterhalten? Je nach dem Zweck deines Textes ändert sich seine Struktur.

Welches Strukturprinzip (oder welche Stilform) deinem Zweck am besten dient, findest du in Büchern heraus, in Blogs, auf YouTube oder in Schreibkursen.

3. Rotze deinen Text hin!

Nun ist der Boden bereitet: Du weißt, was du sagen willst. Du hast sichergestellt, dass diese Botschaft interessant ist für deine Leser. Du kennst den Weg.

Wer oder was soll dich jetzt noch aufhalten?

Schreibe deinen Text runter! Am Stück. So schnell du kannst. Und wie dir der Schnabel gewachsen ist. Löse die Handbremse! Rotz das Ding hin!

Genieße den Flow!

4. Eine Technik für den Notfall

Verteidige den Flow! Sorge dafür, dass dich jetzt niemand stört!

Wenn dir dieser Rat unrealistisch erscheint, weil Kunden, Vorgesetzte oder Kollegen dich nicht in Ruhe arbeiten lassen, empfehle ich diese Notlösung:

Kehre nach jeder Unterbrechung möglichst effizient zurück in den Schreibfluss! Widerstehe der Versuchung, erst einmal dein komplettes Manuskript durchzulesen, um „wieder reinzukommen“. Das ist Zeitverschwendung.

Mache dir stattdessen kurz bewusst, bei welchem Punkt deiner Gliederung du unterbrochen wurdest. Lies nur die letzten zwei Zeilen, die du dazu geschrieben hast. Jetzt bist du genau da, wo du unterbrochen wurdest. Hier, und nirgendwo sonst, steigst du wieder ein.

5. Der Feinschliff kommt erst ganz zum Schluss

Überarbeite einen Text niemals, während du ihn schreibst!

Der Zeitpunkt dafür ist erst gekommen, wenn die Rohfassung komplett vor dir liegt.

Beim Feinschliff geht es nur noch um Sprache.

Um die Qualität des Inhalts und die der Struktur brauchst du dich nicht mehr zu kümmern. Das hast du bereits vor dem Schreiben erledigt.

Wenn du deinen Text wirklich rausgerotzt hast, wirst du auch keine gravierenden sprachlichen Probleme in deinem Manuskript finden. Denn komplizierte Sprache kann man nicht hinrotzen.

Zieh die Sprache glatt, setze die Kommas an die richtigen Stellen. Fertig.

Einen Haken hat die Sache

Jetzt weißt du, was du tun musst, um schnell gute Texte zu produzieren. Das heißt aber leider nicht, dass du es schon kannst.

Es ist wie beim Abnehmen. Die Methode ist einfach. Aber du musst dich zusammenreißen, um sie dauerhaft anzuwenden.

Bitte gib nicht auf, wenn du bei den ersten Versuchen in alte Schnecken-Gewohnheiten zurückfällst! Ein, zwei Monate lang wirst du dich zwingen müssen, die Methode der Schnellschreiber anzuwenden.

Dann wird es schnell immer leichter. Weil die neue Art zu schreiben zur Gewohnheit wird. Nach drei Monaten Training schreibst du hilfreiche Texte wie am Fließband.

Jetzt ist der Flow die Regel, nicht mehr die Ausnahme. Jetzt gehörst auch du zu den Schnellschreibern.

Ich wünsche dir viel Erfolg auf diesem Weg.

PS: Diesen 7273-Zeichen-Text zu schreiben, kostete mich von der Idee bis zum Feinschliff exakt 86 Minuten. Bevor ich das Geheimnis der Schnellschreiber entdeckte, hätte ich dafür locker einen halben Tag gebraucht.

Über den Gastautor Steffen Sommer

Steffen Sommer bringt Menschen bei, schnell gute Texte zu schreiben – ohne sich dafür quälen zu müssen. Sein Ziel: glückliche Schreiber mit glücklichen Lesern.

Aus fast 30 Jahren als Journalist, Textchef und Schreibcoach kennt er die typischen Hürden beim Schreiben. In (Online-)Schreibkursen zeigt er Journalisten, PR-Profis und allen anderen, die beruflich schreiben, wie sie diese Hürden aus dem Weg räumen. Sommer lehrt an der Akademie für Publizistik in Hamburg, an der Akademie der Deutschen Medien und anderen renommierten Bildungseinrichtungen.