Kundenzentriert schreiben: Wie dir gute Recherche zum besseren Schreibstil verhilft

Die Lautsprecher haben aufgrund ihrer fortschrittlichen Bauweise einen sehr guten Bass.

Das Bassreflex-System verwöhnt dich mit druckvollen Tiefen.

Was unterscheidet diese beiden Aussagen in einer Produktbeschreibung? Welche überzeugt dich mehr?

Im ersten Fall wird eine allgemeine Aussage getroffen, die nur vage begründet wird. Bei genauerer Betrachtung fragst du dich:

  1. Inwiefern ist der Bass denn „sehr gut“?
  2. Was habe ich mir unter einer „fortschrittlichen Bauweise“ vorzustellen?

Die zweite Version bemüht sich, diese Fragen zu beantworten. Sie stellt den Kunden in den Mittelpunkt, da seine möglichen Nachfragen beantwortet werden. Sie wirkt kompetenter, weil die enthaltenen Aussagen konkreter sind.

Wirkungsvoll schreiben durch konkrete Inhalte

Was hat der Autor im zweiten Fall der beiden Lautsprecher-Aussagen anders gemacht? Er hat recherchiert. Er hat sich die gleichen Fragen wie ein potentieller Interessent gestellt. Was ist das Fortschrittliche an der Bauweise? Das Bassreflexsystem. Die recherchierten Antworten auf die Fragen haben seine Aussage konkreter gemacht und den Informationsgehalt gesteigert.

Eine Antwort auf diese Fragen zu erhalten, gestaltet sich im Zeitalter von Google sehr einfach. Unzählige Fachseiten liefern dir die erforderlichen Informationen; hier genügte sogar ein Blick auf den entsprechenden Wikipedia-Eintrag. Entscheidender ist, dass du die richtigen Fragen stellst.

Mit den richtigen Fragen zum ansprechenden Text

Ist eine produktspezifische Recherche wie bei den Lautsprechern jedes Mal notwendig? Zu deinem Glück lautet die Antwort: Nein. Das hängt in erster Linie davon ab, wie erklärungsbedürftig das Produkt oder die Dienstleistung ist, über die du schreibst.

Sagen wir, du schreibst über ein Kosmetikprodukt und führst eine ähnliche Recherche durch. Ist es jetzt sinnvoll zu erwähnen, dass die Geschmeidigkeit durch das enthaltene Erdöl und tierische Fette herbeigeführt wird? Eher nicht. Du musst dir andere Fragen stellen. Was wird potentielle Kunden zum Kauf bewegen? Möglicherweise kommst du dann auf eine Aussage wie:

„Der Mascara, den deine Konkurrenz dieses Jahr benutzen wird“

In diesem Fall hat deine Recherche dazu geführt, dass du eine emotionale Expertise gewonnen hast. Deine potentiellen Kundinnen wissen, was Mascara ist. Eine Erklärung würde ihre persönliche Expertise beleidigen. Auch hätten die Inhaltsstoffe sicherlich zu keiner Kaufentscheidung geführt. Du musst daher die emotionalen Benefits des Produktes recherchieren. Das ist nicht immer leicht und du musst deine Zielgruppe dafür gut kennen.

Welche Recherche ist wann zielführend?

Wann benötige ich eine „faktenbasierte“ und wann eine „emotionale“ Recherche? Prinzipiell hängt das davon ab, was im Einzelfall zur Kauf- oder Konsumentscheidung führt. Pauschalaussagen kann man hierzu nicht treffen, aber gewisse Tendenzen gibt es schon:

  1. Im B2B-Bereich zählen Fakten oft mehr als Emotionen und die Artikel oder Dienstleistungen sind meist erklärungsbedürftiger.
  2. Je teurer das Produkt ist, desto faktenbasierter solltest du formulieren. Wenn du dem begeistern Hobby-Mountainbiker ein Fahrrad für 3.000 Euro verkaufen möchtest, stößt du mit einer rein emotionalen Argumentation vermutlich an deine Grenzen.
  3. Finde heraus, ob der wichtigste USP sich besser emotional oder faktenbasiert begründen oder darstellen lässt. Richte deine Recherche dementsprechend aus.

Diese Tendenzen erheben keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Mischformen sind nicht nur denkbar, sondern sehr wahrscheinlich. Du sollst dem Hobby-Mountainbiker natürlich auch ein Gefühl verkaufen. Es ist aber wahrscheinlich, dass er für diesen Preis auch gewisse Ansprüche an die technischen Details des Fahrrads stellt. Das sollte sich in deinem Text widerspiegeln.

Gilt das alles auch außerhalb von Verkaufstexten?

Die kurze Antwort: Ja.

Die lange: In leicht abgewandelter Form kannst du dieses Prinzip auf alle Textarten übertragen. Nehmen wir an, du möchtest gar nichts verkaufen, sondern nur informieren. Du suchst nach einem Aufhänger für den neuesten Eintrag deines Food-Blogs, bist dir aber nicht sicher, in welche Richtung du recherchieren musst. Dann hinterfrage auch hier deine Zielgruppe. Ist dein Content an Sterneköche oder Hobby-Brutzler gerichtet? Den Sternekoch interessiert dein emotionaler Teaser am Textanfang eher weniger und der Hobbykoch kann mit einem faktenbasierten Molekularküchen-Intro nichts anfangen.

Warum gute Recherche zu einem besseren Stil führt

Wenden wir uns wieder dem Lautsprecher-Beispiel vom Anfang zu. Inwiefern hat die Recherche hier zu einem besseren Stil geführt? In erster Linie ist die Aussage ja „nur“ konkreter geworden. Automatisch verzichtet der Autor dadurch aber auf nichtssagende Adjektive (sehr guter Bass/fortschrittliche Bauweise).

Du könntest jetzt argumentieren, dass „druckvolle Tiefen“ nur ein schöneres Synonym ist, da braucht es ja keine wirkliche Recherche. Damit hättest du nicht Unrecht. Aber wenn du versuchst, das gleiche Prinzip auf die „fortschrittliche Bauweise“ zu übertragen, dann landest du irgendwo bei „progressives System“. Du bist in keinster Weise konkreter geworden.

Die Recherche ergab, dass der Bass durch ein Bassreflex-System generiert wird. Dadurch hat sich ein unnötiges Adjektiv automatisch eliminiert. Die Recherche hat nicht nur den Inhalt präzisiert, sondern auch den Stil verbessert. Mehr zum Thema Adjektive findest du in unserem Glossar.

Die Recherche ist für einige Autoren eine unangenehme Nebenerscheinung im Schreibprozess. Das bestätigt eine von der WORTLIGA kürzlich durchgeführte Texter-Umfrage:

Betrachte die Recherchearbeit nicht als bloße Notwendigkeit, sondern als wertvollen Input. Sie steigert den Informationsgehalt deiner Texte – und optimiert damit deinen Schreibstil.

2 Kommentare
  1. Dorothée alias Die Wortbildnerin.
    Dorothée alias Die Wortbildnerin. sagte:

    Das Bassreflex-System verwöhnt dich mit druckvollen Tiefen.

    Diese Aussage ist für mich deshalb mehr catchy, ergo überzeugender, weil ein Fachwort „Bassreflexsystem“ mit einem emotionalen Versprechen verknüpft wird.
    Es kommt (jedoch auch = Füllwort!? 😉 darauf an, wer der Empfänger dieser Botschaft ist.
    Entweder kennt der Leser bereits das System oder es macht neugierig, mehr über diese „fortschrittliche Bauweise“ zu erfahren. Wie fesselt man dann beide Zielgruppen?
    Beim Webtext geht das (natürlich = Füllwort?) gut über Verlinkung.

    Antworten
    • Jonas Kiener
      Jonas Kiener sagte:

      Danke für deinen sehr konstruktiven Kommentar!

      Ich gehe davon aus mit emotionales Versprechen meinst du die „Verwöhnt dich“-Konstruktion?

      Was die von dir angesprochenen Zielgruppen angeht, sind meiner Meinung nach beide mit der Bassreflex-Version besser bedient. Wer das System kennt, wurde konkreter informiert. Wer das System nicht kennt, weiß zumindest nach welcher Komponente des Lautsprechers er googeln muss. Trotzdem finde ich deinen Ansatz, die Zielgruppe in den Mittelpunkt zu stellen richtig und zielführend.

      P.S. Deine Füllwörter hätte ich dir (natürlich) nicht übel genommen; sie untermauern hier (stets) deine Aussagen oder liefern einen Mehrwert in der Bedeutung des Satzes 😉

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